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Interview

Ein Gespräch mit Adrian Gschwend zu seinem Werdegang, seiner Methodik, und seiner Beratungsgrundhaltung.

Herr Gschwend, wie wird man vom Banker und Juristen zum Karriereberater?

(lacht) Das ist eine lange Geschichte, die in meinem Portrait genauer erzählt wird. Es war aber ein längerer Prozess, der nicht von heute auf morgen passiert ist. Entscheidend war sicherlich, dass ich meine eigene berufliche Identität besser kennen gelernt habe und mir so bewusst wurde, dass ich mich sehr gerne mit Menschen und ihren beruflichen Geschichten beschäftige.

Sie reden sehr häufig von "beruflicher Identität". Können Sie mir den Begriff etwas genauer erläutern?

Sicher. Für mich beinhaltet die berufliche Identität alle Aspekte, die es braucht, um sich in der heutigen Berufs- und Arbeitswelt orientieren und bewegen zu können. Im Gegensatz zu früher ist heute jeder einzelne von uns sehr viel stärker selbst dafür verantwortlich, seine eigene Karriere und Weiterbildung zu gestalten. Während es früher häufig ein Unternehmen war, bei dem man über lange Jahre angestellt war, das den Kurs und die Richtung der Karriere stark vorgegeben hat, ist das heute anders. Man bleibt meist nicht über Jahrzehnte bei der gleichen Firma und es entwickeln sich gleichzeitig durch die Digitalisierung ganz neue flexible Arbeitsmodelle wie Freelancing oder Co-Working. Das bietet viele Vorteile, bedingt aber auch, dass man über sich selbst und über seine beruflichen Wünsche, Ziele und Kompetenzen bestens Bescheid weiss, also quasi einen inneren Kompass hat, der einem sagt, wo man hin will und wie man da hin kommt. Dieser Kompass ist die berufliche Identität, und an diesem Kompass arbeiten wir in meinen Beratungen.

Brauche ich diesen Kompass denn auch, wenn ich ganz "normal" arbeite?

In meinen Augen ein klares Ja. Um seine eigene Karriere und seinen eigenen Werdegang aktiv und selbstbestimmt gestalten zu können, auch in einer klassischen Arbeitnehmerkarriere, ist eine genaue Kenntnis der eigenen Werte und der eigenen Interessen und Fähigkeiten unabdingbar. Wer sich zu sehr von externen Faktoren leiten lässt, zum Beispiel von der Firma oder auch vom Zufall, wird früher oder später vermutlich an einen Punkt gelangen, an dem man beruflich nicht mehr zufrieden ist.

Immer wichtiger für viele Menschen ist auch der Aspekt, Sinn und Erfüllung in der eigenen Arbeit zu finden. Gehört auch das zur beruflichen Identität?

Definitiv. "Sinn" kann für jeden Menschen etwas anderes bedeuten, das sehe ich immer wieder in meiner Arbeit. Es gehört ganz klar ebenfalls zur eigenen beruflichen Identität, zu definieren, was "Sinn" für einen persönlich heisst und wie man das in der Arbeit umsetzen kann. Es ist in unserer heutigen individualisierten Gesellschaft ja auch so, dass früher gegebene Begriffe wie "Karriere" und "Erfolg" nicht mehr eindeutig zu definieren sind. Jeder und jede von uns muss selbst für sich herausfinden, wie er oder sie diese Begriffe ganz persönlich definiert. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der individuellen beruflichen Identität.

Wie arbeiten Sie denn konkret mit Ihren Klientinnen und Klienten an der beruflichen Identität?

Das ist sehr individuell und kommt auf die Zielsetzung und Fragestellung der Beratung an. Wichtig ist es mir aber immer, aus verschiedenen Blickwinkeln und Mosaiksteinchen ein grosses Ganzes zu erarbeiten. Die einzelnen Mosaiksteinchen können dabei aus ganz unterschiedlichen Methoden bestehen. Das persönliche Gespräch ist natürlich ein wichtiges Element, aber auch diagnostische Mittel, Hausaufgaben, der Einbezug des beruflichen und persönlichen Umfelds, Biografiearbeit, und viele andere Methoden kommen zum Einsatz. Aus all diesen einzelnen Elementen entsteht dann Stück für Stück ein grösseres Bild. Ich persönlich arbeite auch sehr oft mit Life Design.

Auch "Life Design" ist ein Begriff, auf den man bei Ihnen oft stösst. Was hat es damit auf sich?

Life Design ist ein relativ neuer Ansatz in der Berufs- und Laufbahnberatung, der sehr viel mit der beruflichen Identität zu tun hat. Auch dieser Ansatz betont die Wichtigkeit der beruflichen Identität für die Orientierung in der heutigen Arbeitswelt. Life Design arbeitet für die Entwicklung und Konkretisierung der beruflichen Identität viel mit den eigenen Geschichten der Klientinnen und Klienten. In den ganz persönlichen Geschichten, im persönlich Erlebten, aber auch zum Beispiel im eigenen Lieblingsroman verstecken sich oft ganz zentrale Elemente der eigenen Identität. Ohne noch theoretischer zu werden - es ist ein Instrument, mit dem ich enorm gute Erfahrungen mache.

Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?

Die Einzigartigkeit meiner Klientinnen und Klienten zu berücksichtigen. Ich arbeite nie nach "Schema F", sondern wähle meine Methoden und das Vorgehen immer nach den individuellen Zielen und Fragestellungen des Klienten aus. Entsprechend wichtig ist mir das Erstgespräch, an dem wir diese und weitere Faktoren klären und das Vorgehen gemeinsam definieren. Ausserdem ist es mir wichtig, immer mehrere Blickwinkel einzunehmen - die bereits erwähnten Mosaiksteinchen. Nur so kann ein differenziertes und fundiertes Bild entstehen.

Zum Abschluss und da Sie ja viel mit Geschichten arbeiten - haben Sie eine Lieblingsgeschichte im Zusammenhang mit Karriereberatung?

(lacht) Da gibt es viele! Viele meiner Klientinnen und Klienten verwenden das Bild einer "Odyssee", wenn sie von bisherigen beruflichen Stationen sprechen. Damit es nicht zu weiteren Irrfahrten kommt, arbeiten wir dann an ihrer Orientierung und an der Kalibrierung ihres persönlichen Kompasses. Eine Klientin machte mich dann mit einem chinesischen Sprichwort bekannt: "Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung". Und jetzt habe sie ja das Rüstzeug, um ihre Segel zu setzen. Das hat mich sehr gefreut, und beschreibt auch sehr treffend meine Beratungsphilosophie.

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